Leitende Angestellte
Besonderheiten von leitenden Angestellten im Arbeitsrecht
von RA Thomas Eschle, Stuttgart
Als Führungskraft (der Gesetzgeber spricht von „leitenden Angestellten„) haben Sie eine Scharnierfunktion zwischen dem Arbeitgeber und den sonstigen Arbeitnehmern. Sie haben eine Sonderstellung mit besonderen Befugnissen aber auch mit besonderer Verantwortung. Als Führungskraft sollten Sie die Sonderregelungen kennen, welche der Gesetzgeber aufgestellt hat. Diese
Sonderregelungen sind in der Regel nicht zu Gunsten der Führungskräfte.
Führungskräfte verdienen mehr, sind aber daher auch weniger sozial schutz-würdig, so die Vorstellung des Gesetzgebers.
Wer fällt unter die leitenden Angestellten im Sinne des Betriebs-verfassungsrechts?
Leitender Angestellter im Sinne des § 5 III BetrVG ist, wer „nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb“ mindestens einen der folgenden Punkte erfüllt:
– zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist
– Generalvollmacht oder Prokura besitzt, wobei die Prokura im Verhältnis zum Arbeitgeber „nicht unbedeutend“ sein darf
– regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder Betriebs von wesentlicher Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt .
Da nach Lage des Einzelfalls oft nicht ganz leicht zu entscheiden ist, ob diese betriebsverfassungsrechtliche Definition des leitenden Angestellten erfüllt ist oder nicht, enthält § 5 IV BetrVG eine ergänzende weitere Handreichung für Zweifelsfälle. Danach ist u.a. im Zweifel leitender Angestellter,
– wer bei den letzten Wahlen zu Arbeitnehmervertretungen den leitenden Angestellten zugeordnet war
– wer einer Leitungsebene angehört, auf der überwiegend leitende Angestellte vertreten sind
– wer ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt bezieht, welches für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist.
Achtung: Organmitglieder, beispielsweise Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstandsmitglieder einer AG, sind niemals leitenden Angestellte, denn sie sind überhaupt keine Arbeitnehmer, sondern sie rechnen zum Arbeitgeberlager.
Besonderheiten für leitende Angestellte
Arbeitsrechtliche Regelungen gelten auch im Wesentlichen für „leitende Angestellte“ Sonderregelungen gelten für leitende Angestellte insbesondere beim Kündigungsschutz und bei der Arbeitszeit und bei der Mitbestimmung.
Wenn ein leitender Angestellter länger als sechs Monate beschäftigt und der Betrieb kein Kleinbetrieb mit weniger wie 11 Arbeitnehmern ist, kann er sich wie jeder andere Arbeitnehmer gegenüber einer Kündigung seines Arbeitgebers auf Kündigungsschutzregelungen berufen und auch eine Kündigungsschutzklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht innerhalb drei Wochen nach Ausspruch der Kündigung erheben.
Dies bedeutet für den leitenden Angestellten, dass eine ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung nur wirksam ist, wenn sie sozial gerechtfertigt nach KschG ist.
Folglich müssen Gründe im Verhalten oder in der Person des leitenden Angestellten oder dringende betriebliche Gründe geben, die die Kündigung rechtfertigen.
Der leitende Angestellte hat jedoch gegenüber „normalen“ Angestellten bei einer
arbeitgeberseitigen Kündigung folgenden Nachteil: Der Arbeitgeber kann im Falle eines Kündigungsschutzprozesses jederzeit ohne Angabe von Gründen beantragen, dass das Gericht das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung auflöst. Somit ist dem Willen des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 I 2 KSchG – ohne Prüfung seiner sachlichen Berechtigung stattzugeben. Dies erhöht deutlich die Rechtssicherheit einer Kündigung zugunsten des Arbeitgebers.
Der Arbeitgeber hat bei der Kündigungsschutzklage folgende Möglichkeiten:
Der Arbeitgeber versucht, das zuständige Arbeitsgericht von der Wirksamkeit der Kündigung zu überzeugen. Gibt der Richter dem Arbeitgeberanliegen Recht,
wird die Klage abgewiesen und die aufgrund der Kündigung tritt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein, mit der Folge, dass eine Abfindung vom Arbeitgeber nicht gezahlt werden muss.
Wenn der Arbeitgeber das Arbeitsgericht von der Wirksamkeit seiner Kündigung
nicht überzeugen kann, bleibt dem Arbeitgeber noch die Möglichkeit offen,
im Wege eines Hilfsantrages die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung zu beantragen: Das Arbeitsgericht löst das Arbeitsver-hältnis dann durch Urteil auf und spricht dem leitenden Angestellten nur eine Abfindung von höchstens 12 Monatsgehältern zu. Hat der Leitende Angestellte das 50. Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden, so kann das Arbeitsgericht bis 15 Monatsverdienste festsetzen und nach 55 Lebensjahren und 20 Jahren Dauer der Betriebszugehörigkeit 18 Monatsverdienste.
Fazit: Leitende Angestellte sind im Ergebnis leichter kündbar.
Keine Anwendung des BetriebsVG auf leitende Angestellte
Weiter Betriebsverfassungsgesetz findet auf leitende Angestellten keine Anwendung. Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten gilt für ihn nicht, weil er überwiegend Arbeit-geberfunktionen ausübt und an sich der Vertreter des Unternehmens und der Gesprächspartner des Betriebsrats ist. Ein Interessenausgleich oder ein Sozialplan erfasst leitende Angestellte nicht. Auch haben Betriebsverein-barungen keine Auswirkungen auf leitende Angestellte. Bei Versetzung oder Einstellung von „leitenden Angestellten“ besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.
Arbeitszeitrecht
Auch die Schutzvorschriften nach dem Arbeitszeitgesetz gelten für leitende Angestellte nicht. Überstunden sind in der Regel mit dem Gehalt abgegolten.
Dienstfahrzeug
Führungskräfte und Außendienstmitarbeiter bekommen durch den Arbeitgeber
oft einen Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt. Dies sollte im Arbeitsvertrag näher geregelt sein.
Haftung
Falsche und auch unterbliebene Entscheidungen von Führungskräften können
zu hohen Schäden führen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat eine Recht-sprechung zu Haftungsobergrenzen und Schadensverteilungen entwickelt, welche einen gewissen Schutz für Arbeitnehmer und insbesondere Führungs-kräfte darstellen. Die Haftungsgrenze des Arbeinehmes liegt in der Regel beim dreifachen Monatsgehalt. Unser Tipp: Regelung im Arbeitsvertrag, dass der Unternehmer zu Gunsten der Führungskraft eine spezielle Versicherung abschließt.
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot:
Führungskräfte sind Unternehmsinsider mit entsprechenden Kennnissen über
Firmengeheimnisse, detaillierte Informationen über Umsatz, Ertragsquellen, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Patente, Rezepturen etc. Daher liegt es Nahe, dass sich Arbeitgeber arbeitsvertaglich mit nachvertraglichen Wettbewerbs-verboten schützen wollen. Oft werden im Arbeitsvertrag sechsstellige Vertrags-strafen vereinbart. Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung haben hierzu Formvorschriften bzw. Mindestbedingungenvorgesehen. Ein Wettbe-werbsverbot (Wechsel zum Wettbewerber) kann maximal für zwei Jahre vereinbart werden.
Besonderheiten für Geschäftsführer
Die Bestellung zum Geschäftsführer kann zu einem Verlust der Arbeitnehmer-stellung führen. Nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesgerichts-hofes (BGH) ist ein GmbH Geschäftsführer kein Arbeitnehmer. Das Bundes-arbeitsgericht vertritt die Auffassung, das zuminest die Möglichkeit besteht, dass ein Geschäftsführer zugleich auch Arbeitnehmer sein kann. Häufig werden aufgrund der etwas schwierigen Rechtslage zwischen dem Unternehmen und den Geschäftsführern befristete Arbeitsverträge auf drei bis fünf Jahre geschlossen in denen dann eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Gegenstand gerichtlicher Verfahren sind dann oft Streitigkeiten über eine ausserordentliche Kündigung.
Leitende Angestellte sind daher gut beraten, ihren Arbeitsvertrag wohl überlegt
abzuschließen, da ihr gesetzlicher Schutz deutlich schlechter ist. Rechtszeitige anwaltliche Beratung ist daher sehr empfehlenswert.
Kanzleiprofil
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